In Deutschland ist es seit dem 01.07.2024 möglich, nichtkommerzielle Vereine für den gemeinschaftlichen Anbau von Cannabis zu gründen. Neben anderen Lockerungen, die den privaten Besitz von Cannabis zu Genusszwecken legalisieren, markiert diese Entwicklung eine neue Phase der deutschen Cannabispolitik. Zugleich sind die Auflagen für medizinisches Cannabis gesunken, was mit einem wachsenden Interesse an therapeutischen Anwendungsformen einhergeht.
Wir haben uns von Björn und Henriette, zwei Insidern, erklären lassen, welche gesetzlichen Bedingungen für die sogenannten Cannabis Social Clubs gelten und inwieweit sich die Infrastruktur für Cannabis aufgrund der neusten Maßnahmen zur Cannabis-Legalisierung in Deutschland verändert. Björn ist an der Gründung eines Cannabis Social Clubs beteiligt und Henriette seit mehreren Jahren im Vertrieb von medizinischem Cannabis tätig.
Björn: Cannabis Social Clubs sind nichtkommerzielle Vereine, die den gemeinschaftlichen Anbau und die Ausgabe von Cannabis zu Genusszwecken regeln. Die Idee für Cannabis Social Clubs kursierte in Fachkreisen schon länger. In Spanien, Belgien und den Niederlanden entstanden ungefähr ab 2005 ähnliche Formate. Allerdings handelte es sich dabei eher um rechtliche Grauzonen als um klargefasste, gesetzlich geregelte Vereinigungen. Die nun entstehenden Cannabis Social Clubs in Deutschland nehmen eine europäische Vorreiterrolle ein. Jeder dieser Vereine ist ein Netzwerk, das sowohl Cannabis zu Genusszwecken anbaut und an Mitglieder ausgibt als auch für Suchtprävention und Jugendschutz eintritt. Die Kernidee besteht darin, einen sicheren Zugang zu hochwertigem Cannabis herzustellen, direkt vom Erzeuger, und diesen mit gesellschaftlicher Aufklärung zu kombinieren.
Björn: Ja, allerdings sind wir an eine Reihe von Auflagen gebunden. Cannabis Social Clubs dürfen über höchstens 500 Mitglieder verfügen. Wir dürfen ausschließlich Cannabis aus eigenen Erzeugnissen an unsere Mitglieder verteilen – und davon, pro Person, auch nur 25 Gramm am Tag, beziehungsweise höchstens 50 Gramm im Monat. Hinzu kommt, dass unsere Erzeugnisse von staatlichen Behörden auf ihre Qualität überprüft werden und wir Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte ernennen müssen. Außerdem dürfen wir Cannabis nicht auf dem Vereinsgelände konsumieren. Es geht lediglich um den Anbau und die Verteilung – der Konsum findet im Privaten statt. Das alles geht mit einem strikten Werbeverbot einher. Die Finanzierung eines Cannabis Social Clubs erfolgt über Mitgliedsbeiträge und über kostendeckende Beiträge für ausgegebenes Cannabis. Grundsätzlich sind alle Vereinsmitglieder verpflichtet, sich an der Aufzucht der Pflanzen oder anderweitig an der Vereinsorganisation zu beteiligen.
Ich muss dazu sagen, dass sich das alles derzeit noch in einer Konsolidierungsphase befindet. Die Regeln sind zwar gesetzt, doch wie genau sie auszulegen sind, in welcher Form die Kontrollmechanismen greifen und woran sich zum Beispiel die erfolgreiche Arbeit der Präventionsbeauftragten misst, wird sich voraussichtlich erst im Laufe der nächsten Jahre klären.
Björn: In dieser Hinsicht unterscheiden sich Cannabis Social Clubs nicht von anderen Vereinen. Wer beitreten möchte, kann über die Website des jeweiligen Vereins oder die dort ausgeschriebene Mailadresse Kontakt aufnehmen. Die Feinheiten der einzelnen Satzungen unterscheiden sich zwar je nach Verein, doch im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, den Statuten zuzustimmen und einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zu entrichten. Allerdings kann es, angesichts des Werbeverbots, manchmal etwas müßig werden, die zuständigen Ansprechpartner:innen zu finden. Nach aktuellem Stand weiß niemand so genau, wo ein neutrales Informationsangebot aufhört und stattdessen Werbung beginnt.
Björn: Ja. Interessierte müssen volljährig sein, bestenfalls sogar über 21. Mitglieder unter 21 dürfen monatlich maximal 30 Gramm Cannabis aus den Vereinsbeständen erhalten. Zudem darf der THC-Gehalt 10 Prozent nicht übersteigen. Das ist ein Problem, wenn der Club sich auf den Anbau von Sorten verständigt hat, die einen höheren THC-Gehalt haben.
Björn: Ja, grundsätzlich schon. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist keine Voraussetzung für den Beitritt in Cannabis Social Clubs. Allerdings muss sich der Wohnsitz in Deutschland befinden.
Henriette: Wir dürfen nicht vergessen, dass die jüngste Episode der Cannabis-Legalisierung in Deutschland auch die Vorzeichen für das therapeutische Angebot verändert hat. Medizinisches Cannabis gilt grundsätzlich nicht mehr als Betäubungsmittel, sondern nur noch als verschreibungspflichtiges Medikament. Das erleichtert Patient:innen den Zugang ungemein, auch durch spezialisierte Cannabis-Online-Apotheken und Telemedizin. Zwar ist das nicht unmittelbar auf Cannabis Social Clubs zurückzuführen, beides trägt jedoch zu einem Gesamtbild bei, in dem Cannabis gesellschaftlich anerkannt wird. Davon abgesehen sehe ich, dass Cannabis Social Clubs aufgrund ihrer flächendeckenden Verbreitung eine Informationsgrundlage bieten, um den gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und letztlich auch den medizinischen Fortschritt rund um Cannabis zu unterstützen. Das sind allerdings Projekte, die wir erst in Zukunft anstoßen können.
Henriette: Genusscannabis ist nur durch den privaten Eigenanbau, wozu auch der Anbau in Cannabis Social Clubs gehört, erhältlich. Medizinisches Cannabis kann hingegen in Apotheken erworben werden, sofern der Patient oder die Patientin über ein entsprechendes Rezept verfügt. Professionelle Erzeuger, wie zum Beispiel Barongo, bedienen den Bedarf mit hochwertigen Cannabispräparaten. Die hohe Qualität ist obligatorisch, um das medizinische Potenzial der Cannabistherapie zu erfüllen und die Sicherheit der Patient:innen zu gewährleisten.
Zugleich haben Barongo und andere Erzeuger weitaus höhere Kapazitäten, durch die sie, den verschiedenen Krankheitsbildern entsprechend, ein breites Repertoire unterschiedlicher Präparate zur Verfügung stellen. Der Bezug von Genusscannabis untersteht hingegen dem Angebot der Cannabis Social Clubs oder dem privaten Anbau, der mal besser und mal schlechter ausfallen kann. Schon aus diesem Grund ist die Infrastruktur von Genusscannabis nicht für medizinische Zwecke geeignet – ganz zu schweigen von den Gefahren einer Selbstmedikation.